Geschäftsführer Aurel Irion - Foto: Jens Körner Bildermacher Sport

Geschäftsführer Aurel Irion - Foto: Jens Körner Bildermacher Sport

2016 übernahm Aurel Irion die finanziellen und kaufmännischen Geschicke der stuttgart indoors GmbH, der Spielbetriebsgesellschaft von Allianz MTV Stuttgart, als neuer Geschäftsführer. Im großen Saison-Interview sprach Markus O. Robold, Leiter Ticketing, Marketing und Grafik, mit ihm über die Entwicklung der vergangenen Jahre und die Herausforderungen der Zukunft.


Markus O. Robold: Aurel, es ist August, die Sonne scheint. Hat ein Volleyball-Geschäftsführer nun Sommerpause bis zum ersten Heimspiel?

Aurel Irion: Keineswegs, lange bevor die neue Saison losgeht, beginnen die Planungen für die kommende Spielzeit. Ein Beispiel: mit unserem neuen Trikot für die Saison 23/24 haben wir bereits Anfang Oktober 2022 begonnen erste grafische Entwürfe umzusetzen. Und unsere Sportdirektorin Kim Renkema hat Ende vergangenen Jahres zusammen mit Tore schon den Kader für diese Saison geplant. Aktuell organisieren wir die ersten Heim- und Testspiele, einige Spielerinnen ziehen bereits ein, die Medizinchecks und Trainingseinheiten stehen an - und wir haben stets einen Blick auf die Entwicklung der Finanzen.

Apropos Finanzen: wie sieht hier die Entwicklung derzeit aus?

Wir sind auf einem guten Weg. In den vergangenen Jahren konnten wir die Erlöse aus dem Sponsoring und dem Ticketing kontinuierlich steigern, auch wenn die Herausforderungen durch externe Einflüsse stetig gestiegen sind. Die Lasten der Vergangenheit sind nahezu abgetragen. Gleichwohl färbt die aktuelle Lage der deutschen Wirtschaft auch auf uns ab, Steigerungen bei den Erträgen sind derzeit kaum möglich, auf der anderen Seite steigen die Ausgaben.

„Lasten der Vergangenheit“. Was verbirgt sich dahinter?

In den Jahren von 2007 bis 2016 haben wir oft mehr ausgegeben als eingenommen. Der Schuldenberg stieg immer weiter an. Damit einher ging auch die Erhöhung des Etats und des Umsatzes. Ein paar Beispiele: In der Saison 2012/13 konnten wir im Sponsoring rund 430.000 Euro erwirtschaften, in der Saison 2015/16 waren wir bei 620.000 Euro. Bei den Ticketeinnahmen konnten wir im selben Zeitraum rund 60.000 Euro erwirtschaften und 2015/16 waren wir bei rund 200.000 Euro.

Wie hat sich dies nach Deinem Einstieg 2016 entwickelt?

Wir, d.h. auch unsere Gesellschafter, wollten und mussten einerseits Umsätze und Etat stetig steigern, aber auch den Schuldenberg abbauen. Beides ist uns gelungen. Bereits in meinem ersten Jahr lagen wir beim Umsatz über 1 Mio. Euro, in der vergangenen Saison bei rund 2 Mio. Euro. Selbiges gilt für die Erlöse im Ticketing, auch dort haben wir uns stetig weiterentwickelt. Angefangen von der nun sehr hohen Zahl an Besuchern, an Dauerkarten-Besitzern bis hin zu den Ticketingeinnahmen, die wir gegenüber 2015/2016 nun nahezu verdoppeln konnten. Ein weiterer Aspekt: zum dritten Mal in Folge haben wir die Lizenz der Volleyball-Bundesliga ohne Auflagen erhalten.

Eine Erfolgsgeschichte…

Absolut. Allerdings müssen wir aufpassen, denn das Wachstum ist endlich. Einerseits gibt es Sondereffekte, wie z.B. den Supercup 2022 in der Porsche-Arena, der uns zusätzliche Ticketeinnahmen durch die 6.145 Besucher und Sponsorenerlöse erbracht hat sowie die Teilnahmen in den Finalrunden der Play-Offs und das Viertelfinale der Champions League - auf der anderen Seite steigen die Kosten in allen Bereichen. Sei es bei Reisen, Energie, Lebenshaltungskosten. Aber auch im Spielbetrieb und bei den Gehältern. Zudem haben wir kaum noch Flächen für neue Partner und Steigerungen bei den aktuellen Partnern sind nur schwer möglich, allerdings sind die Steigerungen erforderlich, um den Anschluss nach oben nicht zu verlieren. Der SSC Palmberg Schwerin hat kürzlich seine Zahlen in einem Zeitungsartikel veröffentlicht: in der abgelaufenen Saison wurde ein Umsatz von 3,1 Mio. Euro erwirtschaftet, rund 2,5 Mio. Euro kamen hierbei von den 142 Sponsoren des SSC.

Kannst Du uns einen Einblick in die Sponsorenstruktur geben?

Gerne. Vorneweg möchte ich allen unseren Partnern und Sponsoren sehr danken. Viele sind schon jahrelang dabei und es sind hierbei auch langjährige Freundschaften entstanden. In eine Randsportart wie Volleyball zu investieren ist nicht selbstverständlich, aber es lohnt sich. Wir sind das Aushängeschild in der Stadt Stuttgart: attraktiver Sport, erfolgreich, sympathisch. In unserer Partnerpyramide haben wir eine Unterteilung nach Top-, Haupt-, Premium- und Teampartnern. Rund 40 % unseres Etats stemmen die beiden Toppartner Allianz und Scharr. Weitere 20 % unsere Hauptpartner KÄRCHER und Sparda-Bank. Die verbleibenden Beträge teilen sich unsere Premium- und Teampartner. Daneben spielen auch die Ticket- und Fanshoperlöse eine immer größere Rolle.

Die Allianz und SCHARR sind Partner der ersten Stunde

So ist es. Und ohne das langjährige Engagement unserer beiden Toppartner wäre dieser Erfolg der letzten Jahre nicht möglich gewesen. Speziell in der Anfangszeit haben uns beide Partner sehr stark geholfen in organisatorischen und strategischen Fragen, aber auch im Marketing, die weit über das reine finanzielle Sponsoring hinausgegangen sind. Heute stehen wir deutlich besser da, sind selbstständiger, jedoch weiterhin froh, dass einige Dinge wie das Personalmanagement, die Buchhaltung oder aber die Erstellung des jährlichen Saisonmagazins über unsere beiden Toppartner abgewickelt werden. Deren Unterstützung ist auch weiterhin sehr wichtig für uns.

70

Dazu fällt mir ein: 70 Partner und Sponsoren. Auch diese Anzahl ist beachtlich, wir konnten diese Zahl in den vergangenen Jahren stetig steigern. Dies war auch wichtig, um die Finanzierung von „Stuttgarts schönstem Sport“ auf eine breitere Basis zu stellen. Wie bereits erwähnt, basiert unsere Finanzierung mittlerweile auf mehreren Schultern, unsere beiden Toppartner z.B. tragen „nur“ noch zusammen zu fast gleichen Teilen insgesamt 40 % an unserem Etat bei. In der Anfangszeit war dies prozentual gesehen im Verhältnis zum Gesamtetat deutlich höher. Die breitere Basis verschafft uns eine höhere Planbarkeit und Sicherheit, wenn ein Partner sein Engagement reduzieren oder beenden muss. Wir bieten allen unseren Partnern und Sponsoren ein tolles vielfach individuell zugeschnittenes Paket mit großartigem Sport in einem leidenschaftlichen und hoch emotionalen Umfeld. Und ganz nebenbei: der finanzielle Aufwand hierfür ist deutlich geringer als in anderen Sportarten, angefangen von Fußball, Basketball über Handball bis hin zu Eishockey.

Wie sieht es mit den Fernsehgeldern aus?

Anders als im Fußball trägt dieser Posten leider bei uns nicht wesentlich zum Etat bei. Dennoch sind wir sehr froh, dass wir mittlerweile für die Fernsehproduktionen bei Sport 1 keine Kosten mehr tragen müssen. Mehr noch: die Free-TV Spiele sind für uns sehr wichtig, denn sie sichern uns eine hohe Sichtbarkeit, die mehr denn je erforderlich ist um Sponsoringerlöse zu generieren. Hierzu gehören auch die Übertragungen bei Sport1 extra und ab dieser Saison bei Dyn.

Was waren für dich die entscheidenden Faktoren für den Erfolg?

Ich denke unser Erfolg beruht auf mehreren Faktoren. Wir wurden erst 2007 gegründet und konnten uns in den vergangenen rund 15 Jahren an der Spitze etablieren. In dieser Zeit haben wir viel dazu gelernt, kleine und große Schritte gemacht. Angefangen von einer immer professionelleren Struktur mit einer kaufmännischen Expertise, über die Installation einer sportlichen Leitung bis hin zu einer kleinen Geschäftsstelle. Aber: ohne die ehrenamtlichen Helfer geht es nach wie vor nicht. Ein Stamm von rund 60 ehrenamtlichen Helfern stemmt einen Spieltag. Am Ende muss man sagen, professionell im Sport zu arbeiten bedarf einer Struktur in der Organisation und im Kader. Und dennoch gilt: es gehört auch eine ordentliche Portion Glück dazu, um sportlich erfolgreich zu sein. Die Struktur und Organisation bieten hierfür aber den fruchtbaren Boden, damit Erfolge wachsen können.

Leider ist dies nicht in der gesamten Liga so…

Ja, das stimmt. In den vergangenen Jahren haben wir bei den Frauen und bei den Männern gesehen, dass nicht alle Standorte die gewünschte Entwicklung nehmen. Selbst bei Clubs wie Dresden und Potsdam, die immer um die Spitze mitspielen, wurden Probleme offenkundig. Aber auch bei Wiesbaden hört man von finanziellen Herausforderungen. Vielleicht waren wir und die Liga bei der Verabschiedung des Masterplans zu optimistisch und die Schritte für manche Vereine zu groß. Dies gilt es im Auge zu behalten und nachzujustieren, ohne aber stehen zu bleiben. Ich denke, dass es an jedem der Standorte möglich ist, professionell und wirtschaftlich Volleyball zu etablieren, auch wenn der Weg länger dauert. Sei es auf einer finanziell gesicherten überschaubaren Basis oder einem unverwechselbaren Alleinstellungsmerkmal, wie wir es z.B. mit unserer Marke „Stuttgarts schönster Sport“ auch geschaffen haben, trotz der großen Konkurrenz durch Fußball und Handball. Mein Eindruck ist, dass wir gemeinsam in und mit der Liga den Fokus verstärkt auf die Standortentwicklung und -erhaltung legen müssen – auch wenn es hierbei z.B. Abstriche gibt, die insbesondere aufsteigende Vereine oder Clubs in der unteren Tabellenhälfte bislang sehr belasten, wie z.B. die Investition einer LED-Bande oder des einheitlichen Hallenbodens. Die Schaffung guter und solider finanzieller Rahmenbedingungen ist meines Erachtens zunächst wichtiger als einen zu großen Betrag des Budgets in den Etat der Mannschaft zu stecken.

Auf einen Punkt möchte ich noch speziell eingehen: die SCHARRena

Tja, die SCHARRena. Ich glaube bzw. ich bin mir ganz sicher, dass wir ohne die SCHARRena nicht diese Entwicklung genommen hätten. In der Zeitung stand vor einigen Jahren mal der Satz „die beste Investition der Sportstadt Stuttgart der letzten Jahre war der Bau der SCHARRena“ – wie Recht der Autor damit hatte. Wir haben 2007 ganz klein in der Hegel-Schulsporthalle in Stuttgart-Vaihingen angefangen, die Stimmung dort war auch großartig, die Entwicklungsmöglichkeiten aber sehr begrenzt, einerseits von den Präsentationsflächen für Partner und Sponsoren, aber auch die Zuschauerkapazität. Die SCHARRena ist die ideale Halle für uns, bei den Heimspielen aber auch im Training. Neben der wirtschaftlichen Struktur und Organisation eines Clubs ist die passende Infrastruktur daher ein weiterer wesentlicher Baustein für eine erfolgreiche Vereinsentwicklung.

Anfangs war die Zuschauerresonanz in der SCHARRena aber auch überschaubar…

Das ist richtig, in ersten Jahren seit dem Umzug 2011 haben wir zusammen mit unseren Toppartnern Allianz und SCHARR sehr viel unternommen, um das Zuschauerinteresse zu steigern. Mit steigendem Erfolg kamen mehr Zuschauer, mehr Zuschauer und Fans beflügeln das Team, wecken Interesse bei Medien und Sponsoren. Mittlerweile freuen wir uns im Schnitt über 2.000 Zuschauer bei unseren Heimspielen, was einer Auslastung von rund 90 % entspricht. Mit über 740 Dauerkarten für die neue Saison haben wir einen weiteren Bestwert vorgelegt. Aber auch dieses freudige Ergebnis ist harte Arbeit, Tag für Tag. Es ist nicht so wie im Fußball, dass es ein Selbstläufer ist und die Zuschauer in Scharen kommen, selbst wenn man wiederholt Meister wurde oder in der Königsklasse spielt. Wir haben mittlerweile einen großen Baukasten, welchen wir für die Bewerbung der Spiele nutzen. Angefangen von der umfangreichen Plakatierung, besondere Ticketangebote bis hin zu Kooperationsmaßnahmen über unsere Partner oder der gezielten Ansprache von Schulen, Gruppen und Vereinen. Positiv möchte ich auch erwähnen, dass die SCHARRena von der Stadt Stuttgart betrieben wird. Hierdurch ist gewährleistet, dass wir z.B. selbst die Bewirtschaftung der Gastronomie vergeben können. Durch das Engagement der Fr. SCHARR KG in das Namensrecht der Halle bleiben die Mietkosten überschaubar, wenngleich in den vergangenen Jahren die Kosten (z.B. für Energie) auch dort gestiegen sind.

Vor rund 2 Jahren wurde die Allianz-Lounge vergrößert

Ich bin mir sicher, dass in der Planungszeit vor rund 15 Jahren niemand damit gerechnet hat, dass Volleyball in Stuttgart so erfolgreich wächst und dass wir uns über eine Erweiterung der Allianz Lounge Gedanken machen müssen. Aber „Stuttgarts schönster Sport“ hat alle überrascht. Immer mehr Zuschauer, immer mehr Erfolge, immer größeres Interesse. Der logische Schritt war nun – und hierbei half uns auch wieder der Umbau der MHP Arena für die EM 2024 – dass der VIP-Raum, die Allianz Lounge, vergrößert wurde und nun doppelte Kapazität bekommen hat. An diesem Beispiel sieht man sehr deutlich, wie wichtig die Infrastruktur für die Entwicklung ist.

Ist ein Umzug in die Porsche-Arena eine Option?

Die SCHARRena ist die ideale Eventlocation für „Stuttgarts schönsten Sport“. Die Atmosphäre in unserem Hexenkessel ist einzigartig. Selbst wenn die SCHARRena bei allen Spielen ausverkauft wäre, würden wir nicht sofort umziehen. Gleichwohl ist es wie in der Vergangenheit nicht ausgeschlossen, dass wir zu einzelnen Highlightspielen nach nebenan umziehen werden, um dem Volleyballsport eine noch größere Bühne und Aufmerksamkeit bereiten zu können. In den letzten 15 Jahren haben wir das genau zweimal gemacht. Im Jahr 2016 im Play-Off Finale und im letzten Jahr beim Sparda-Bank Supercup. Beide Male haben wir den Zuschauerrekord geknackt, zuletzt mit 6.145 Besuchern. Eine dauerhafte Option ist die Porsche-Arena für uns jedoch nicht. Der Aufwand und die Kosten sind dort zu hoch, zudem können wir dort nicht selbst die Bewirtschaftung organisieren und die Verfügbarkeit der freien Termine, insbesondere kurzfristig, ist sehr anspruchsvoll.

Zu guter Letzt: was wünscht Du Dir für die neue Saison?

Die neue Saison ist der Beginn einer neuen Ära. Konstantin Bitter übernimmt nun das Ruder von Tore. Ich hoffe und wünsche mir, dass er an und mit seiner Rolle wächst und wir in der SCHARRena weiter Erfolge feiern können. Ich freue mich über attraktive Spiele, eine stets gut gefüllte Halle und hoffe auch, dass wir weiter wirtschaftlich diesen positiv eingeschlagenen Weg fortsetzen können. Daneben wünsche ich mir, dass wir auch die Liga weiterentwickeln können, so dass wir an allen und noch weiteren Standorten professionellen 1. Liga Volleyball erleben können. Dies gilt auch für die unteren Ligen, in der Nachwuchs- und Jugendarbeit aber insbesondere auch in unseren Nationalmannschaften; dortige Erfolge strahlen besonders auf die Vereine und das Interesse aus.

Aurel, vielen Dank für das Gespräch!

Dieses Interview ist in einer gekürzten Fassung im Allianz MTV Stuttgart Saisonmagazin 23/24 erschienen (VÖ: 05.10.2023)