Die Deutsche Meisterinnen von Allianz MTV Stuttgart: Im fünften Anlauf, im fünften Finalspiel der Serie, im fünften Satz. | Foto: www.tombloch.de

Im fünften Anlauf erkämpft sich das Team von Allianz MTV Stuttgart im bislang wohl hochklassigsten Play-off-Finale im Duell mit dem Rekordmeister SSC Palmberg Schwerin den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte.

 

An der Stelle, an der in der vergangenen Saison der SSC Palmberg Schwerin die Meisterschaft feierte, mit Bierdusche über Trainer Felix Koslowski, mit Sektduschen der Spielerinnen, mit allem Überschwang, direkt vor den verheulten Augen der Stuttgarter Spielerinnen, genau an dieser Stelle, im Bad der Menge von offiziell 2251 Zuschauern in der am späten Donnerstagabend innerhalb von nur 30 Minuten ausverkauften SCHARRena, tanzte die Mannschaft von Allianz MTV Stuttgart mit ihrem griechischen Trainer Giannis Athanasopoulos …. Sirtaki.

Und mitten in der Menge stand Julia Schaefer, auf ihre Krücken gestützt, und weinte bitterliche Tränen der Freude. Sie hatte es einen Tag nach der Operation aufgrund des Wadenbeinbruchs vom Donnerstag nicht mehr im Krankenhaus ausgehalten – und ziert nun die offiziellen Mannschaftsfotos im Liegen.

„Wenn Träume wahr werden“, sagte Sportdirektorin Kim Renkema und ließ die Korken knallen, um selbst am meisten von der Sektdusche abzukriegen. Ein wilder Haufen wild jubelnder Spielerinnen, die von der SCHARRena erst in den VIP-Raum und anschließend zu einer Diskothek in der Innenstadt zogen. Tanzen, hinein in die Morgen, mit knallblauen Perücken und blauen „I love Allianz MTV“-Brillen, die im Laufe des Sonntags in Sonnenbrillen gewechselt werden, weil am Nachmittag schon das Saisonabschlussfest im Event-Center des Teampartners Sparda-Bank steigen wird.

Doch was zählt, war der Moment. Unbändige Freude. „Achtzehnhundertdreiundvierzig, hey, hey“, rief Kapitänin Debbie van Daelen von einem Tisch herunter und Annie Cesar und Pia Kästner stimmte mit ein. Dazwischen ehemalige Spielerinnen wie Atika Bouagaa oder Alessandra Jovy-Heuser, die erst mitzitterten, und dann mitfeierten.

Die ausgelassene Stimmung passte einfach zur riesigen Belohnung nach einer Durststrecke von vier Vizemeisterschaften in Folge. Eine riesige Belohnung für die wenigen Hauptamtlichen in der Vereinsführung, und die vielen Ehrenamtlichen, die unzählige Stunden in das Projekt „Stuttgarts schönster Sport“ stecken, die vielen Ehrenamtlichen, die pflichtbewusst in der SCHARRena abbauten und putzten, leere Flaschen räumten, Konfetti wegkehrten und Sektlachen aufwischten, und die Sporthalle unter der Untertürkheimer Kurve der Mercedes-Benz Arena wieder in einen besenreinen Zustand brachten, während das Team die erste Meisterschaft in der Club-Historie feierte.

In einem wahren Krimi im finalen Finale, also im fünften Spiel, mit den Fans im Rücken, gelang ein knapper, aber verdienter Tiebreak-Sieg. Und eine riesige Belohnung auch für genau diese Fans, die das Team durch Dick und Dünn begleiten, und bei denen sich Geschäftsführer Aurel Irion kurz vor der Siegerehrung persönlich bedankte: "Wir haben die geilsten Fans in ganz Deutschland", rief er ins Mikrofon und die Zuschauer ließen ihn hochleben.

Die Saison endet am letztmöglichen Tag, nach 22 Bundesligaspielen der Normalrunde, vier Pokalspielen, zwölf Auftritten quer durch Europa in der Champions League bis hinein ins Viertelfinale, und zehn packenden Play-off-Finalspielen. 48 Pflichtspiele seit Ende Oktober. Und das letzte ging auch noch über die Maximalzahl von fünf Sätzen.

Krystal Rivers prägte dabei das Stuttgarter Angriffsspiel wie keine andere Diagonalspielerin zuvor, und prägte zudem die komplette Bundesliga. Sie besorgte den Matchball im entscheidenden Meisterschaftsfinale und schnappte sich anschließend nicht nur die MVP-Medaille für das letzte Finalspiel, sondern wurde zudem aufgrund ihrer gesammelten MVP-Medaillen die Saison über als beste Spielerin der Liga gekürt, was sie bei der Siegerehrung mit einem breiten Grinsen quittierte.

Obrigado, Micheli! Köszönet, Renáta! Thank you, Molly!

Doch nach so einer erfolgreichen Saison wird nicht nur zünftig gefeiert, sondern muss leider auch Abschied genommen werden.
Dieses Mal fällt es besonders schwer, denn in Micheli Tomazela Pissinato und Rénata Sándor beenden zwei Spielerinnen ihr aktive Karriere, die lange Zeit das Gesicht der Mannschaft von Allianz MTV Stuttgart entscheidend prägten.


„Es war für mich persönlich eine große Ehre, mit beiden Spielerinnen gemeinsam auf dem Feld zu stehen, aber auch später zusammen zu arbeiten“, sagte Sportdirektorin Kim Renkema.

Micheli Tomazela Pissinato und Rénata Sándor kamen im Sommer 2014 nach Stuttgart und feierten gleich im ersten Jahr ihren ersten deutschen Titel mit dem Pokalsieg 2015, sammelten viermal Silber in der deutschen Meisterschaft, holten den Pokaltitel erneut 2017 und wurden 2016 SuperCup-Siegerin. Als Krönung folgt nun natürlich in dieser Saison der erste Meistertitel.

„Renáta hat mit ihrer Angriffsstärke viele wichtige Punkte für Stuttgart gemacht. Sie war in den letzten fünf Jahren ein wichtiger Teil der Entwicklung in Stuttgart. Ihr Gesicht wird uns fehlen in der Mannschaft. Wir wünschen ihr alles Gute für ihre Zukunft und wir freuen uns, sie am Rande des Spielfelds als großer Fan zu sehen“, sagte Kim Renkema.
Die Außenangreiferin wird den Sommer über noch mit der Nationalmannschaft und bei der Europameisterschaft verbringen, bevor sie ihre aktive Karriere endgültig beendet.

„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich bin einfach nur super glücklich, dass ich für so lange Zeit Teil der Stuttgarter Mannschaft sein konnte. Und miterleben konnte, wie wir jedes Jahr professioneller wurden, immer mehr aus Fehlern gelernt haben, immer mehr Probleme abgestellt haben“, meinte Renáta Sándor. „Ich denke, ich kann Allianz MTV Stuttgart durchaus als einen Teil meiner Familie bezeichnen. Nicht nur wegen dem Team, aber vor allem auch wegen der Fans und Unterstützer. Es ist einfach unglaublich, wie sie uns die ganze Zeit unterstützen. In der SCHARRena stets bis zu 2000 Leute, und manche haben uns einfach überall hin begleitet. Sie waren in Minsk, oder gar in Aserbaidschan. Wir haben einfach die besten Fans. Ich bin wirklich sehr dankbar dafür. Ich hoffe, es bleibt so, und auch nachfolgende Spielerinnen können davon profitieren. Aber ich kann auch sagen, ich werde dem Club nicht den Rücken kehren. Ich werde immer wieder vorbeischauen.“

Und auch Micheli Tomazela Pissinato hat ihre Volleyballschuhe das letzte Mal geschnürt.

„Mit ihrer Erfahrung und dem gelebten Teamgeist hat sie unserer Mannschaft nicht nur viele Siege beschert, sondern sich auch als Publikumsliebling entwickelt. Sie ist eine Spielerin, die sich immer 100 Prozent eingesetzt hat für den Verein und für die Mannschaft. Noch eine Stunde extra Training? Kein Problem für Micheli. Jemanden mit so viel Routine und Erfahrung zu ersetzen, wird keine einfache Aufgabe“, beschrieb Kim Renkema. „Als wir über ihren Abschied gesprochen haben, sagte sie, keine Sorge, ich bleibe Euch erhalten, ich werde immer eine Dauerkarte für das Stuttgarter Volleyballteam haben.

„Ich werde das Spielfeld verlassen, aber nicht die Stadt und nicht einmal die Halle“, sagte die Brasilianerin, die bereits seit 15 Jahren in Europa lebt, und zog sich das Meisterschafts-T-Shirt über das längst durch die Sektduschen verklebte Trikot. „Es ist einfach der beste Moment, aufzuhören, nach fünf Finalspielen, im fünften Satz zu gewinnen, und dann im fünften Anlauf zum ersten Mal Meister zu werden. Mein großer Dank gilt diesen unfassbar tollen Fans, die wir haben. Sie kümmern sich um uns, sie sind ein Teil von uns, und sie haben großen Anteil daran, dass wir die erste Meisterschaft geholt haben.“

Ein große Lücke wird auch Molly McCage hinterlassen, die beste Mittelblockerin der Play-offs.

„Dass uns Molly aus persönlichen Gründen verlässt, ist sehr schade. Sie ist ein großes Talent, welches in Stuttgart noch größer geworden ist. Sie hat sich in den letzten beiden Jahren als eine der besten Mittelblockerinnen der Liga entwickelt“, lobte Kim Renkema. „Mit ihrem Talent und ihren Anlagen hätte Molly noch vieles auf dem Spielfeld erreichen können, aber natürlich respektieren wir ihre Entscheidung, mit dem Volleyball spielen aufzuhören. Molly, es war eine Ehre, dich in Stuttgart gehabt zu haben. Wenn Du Volleyball doch zu sehr vermissen solltest, stehen die Türen in Stuttgart für Dich immer offen.“

Diese schwer nachzuvollziehende Entscheidung basiert auf einer wohl überlegten Grundlage. „Über mir schwebt einfach das große Ziel, noch eine andere Karriere als im Volleyball zu haben. Und ganz ehrlich, ich vermisse meine Heimat, meine Familie und vor allem meinen Verlobten“, erklärte Molly McCage. Selbst die Nationaltrainer des Team USA konnten sie nicht umstimmen. „Was bleibt, ist ein unheimlicher Stolz, Teil dieser großartigen Mannschaft, dieses großartigen Clubs mit seinen großartigen Fans gewesen zu sein. Alle waren unglaublich toll ab der ersten Minute, in der ich damals die SCHARRena betreten habe. Ich hatte jetzt auch Angebote aus anderen Ländern, aber mein Bauchgefühl rät mir einfach, dass ich wieder nach Hause zurückkehre und etwas Neues starte.“

Alle drei Spielerinnen hatten die Vereinsführung gebeten, von einer größer angelegten Verabschiedung abzusehen. Zu sehr lag bei ihnen der Fokus auf den Play-offs um die Deutsche Meisterschaft, zu sehr wollten sie mit dem Titel abtreten.
Kein Wunder, dass diese Spielerinnen das Spiel und die Feierlichkeiten im Anschluss, die mit der Saisonabschlussfeier am Sonntagabend noch längst nicht zu Ende sind, besonders genossen haben.

Und sie haben zum Abschluss noch ein neues Lied gelernt:

"Oh, wie ist das schön. So was hat man lange nicht gesehen. So schön!"

Allianz MTV Stuttgart holt sich die erste Deutsche Meisterschaft.


Endlich.