Brachten die Wende gegen Suhl. Julia Nowicka und Mira Todorova (mi.). Foto: Moritz Bosold

Brachten die Wende gegen Suhl. Julia Nowicka und Mira Todorova (mi.). Foto: Moritz Bosold

Hauptrundenplatz Eins ist gebucht. In einem wahren Krimi setzt sich Allianz MTV Stuttgart beim VfB Suhl durch und feiert den mittlerweile neunzehnten Sieg in Serie in der Volleyball-Bundesliga. Beim 3:2-Auswärtserfolg (28:30, 23:25, 25:17, 25:20, 15:13) kommen die Aleksandersen-Schützlinge nach schwierigem Start zurück und drehen die Partie komplett.


Irgendwann muss ja jede Serie mal ein Ende haben. 18 Siege in Folge hatten die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart in der Volleyball-Bundesliga gesammelt. Irgendwie wollte diese Serie ja auch nicht aufhören. Dem ein oder anderen wurde das alles fast schon ein wenig unheimlich. Doch dann war es kurz nach zwanzig Uhr Ortszeit in Suhl an diesem Samstagabend und im Stuttgarter Lager schaute man sich etwas verdutzt an. 0:2 lag man gegen einen sehr stabilen VfB hinten, es drohte die erste Saisonniederlage. Aber diese Stuttgarter Mannschaft darf man nie abschreiben. Rund eine Stunde später donnerte Maria Segura den Ball ins Suhler Feld, die Abwehr bekam gerade noch einen Arm dran. Das Kunststofffabrikat flog immer höher und berührte schließlich die - in diesem Fall Gott sei Dank nicht allzu hohe – Decke in der Suhler Wolfsgrube. Was folgte war Jubel bei den Fans im Auswärtsblock, die Wechselspielerinnen kamen aufs Feld gestürmt um zu Feiern. Pure Erleichterung war bei jedem mit dem Wappen von Allianz MTV auf der Brust zu spüren. Nach großem Kampf und einer Energieleistung bleibt die Serie fortbestehen. „Stuttgarts schönster Sport“ ist weiterhin ungeschlagen. Als Bonus haben sich die Mädels vom Neckar mit den zwei Punkten vom Samstagabend den Hauptrundensieg gesichert. Mit den ausstehenden Spielen ist ihnen der Platz an der Sonne nichtmehr zu nehmen – und damit auch nicht das wichtige Heimrecht in einem etwaigen Finale.

Dieser 3:2-Erfolg war ungemein wichtig. Vor allem für das Selbstvertrauen der Spielerinnen, gerade mit Hinblick auf die anstehende Aufgabe in Istanbul. Der Sieg am Ende darf aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass man vor allem in den ersten beiden Sätzen große Probleme in der Annahme hatte und gegen gut aufgelegte Gastgeberinnen aus Suhl immer wieder Probleme bekam. Fakt ist: Mit solch einem Auftritt wird es am Dienstag am Bosporus ungemein schwerer, sich eine gute Ausgangslage für das Rückspiel zu sichern. Denn Tijana Boskovic und Co. hätten mit ihrer Qualität die Schwächen im Stuttgarter Spiel vermutlich noch viel schwerwiegender bestraft. Doch der CEV-Cup ist Zukunftsmusik. Und kleinreden sollte man den Erfolg in Thüringen natürlich auch nicht. Gerade in Satz drei und vier fand das Aleksandersen-Team wieder zu gewohnter Stärke – hintenraus glänzte man dann mit einer Energieleistung. Im Hexenkessel Wolfsgrube einen 0:2-Rückstand zu drehen, ist schließlich auch keine Selbstverständlichkeit. Klammert man die ersten beiden Sätze mit Abstrichen aus, kann man beim Staff der Schwäbinnen durchaus zufrieden über den Auftritt urteilen. Doch der Reihe nach.

In der Antenne-Thüringen-Volleyball-Arena zu Suhl begann Tore Aleksandersen beim zweiten Aufeinandertreffen mit dem VfB innerhalb einer Woche mit einer leicht veränderten Formation. Im Vergleich zum vergangenen Mittwoch durfte Juliet Lohuis wieder im Mittelblock ran, Simone Lee ersetzte Maria Segura. Ansonsten alles wie gehabt, Krystal Rivers wurde geschont, für die Kapitänin startete Lara Berger. Die Starting-Six komplettierten Eline Timmerman, T’ara Ceasar, Ilka Van de Vyver und Roosa Koskelo. Die Sechs des Tabellenführers erwischte einen guten Beginn. Direkt im ersten Angriff bediente Ilka Van de Vyver ihre Mittelblockerin Eline Timmerman durch die Mitte, das erste Statement der Partie war gemacht. Auch in der Folge waren die Stuttgarterinnen hellwach, allen voran Simone Lee, die gleich zweimal hervorragende Blockarbeit leistete (5:2). Doch dann kam ein kleiner Bruch ins Spiel der Gäste und Suhl, angetrieben von der Kulisse, war voll da. Durch hohen Aufschlagsdruck und Schwächen in der Stuttgarter Annahme gingen die Wölfe bei der ersten technischen Auszeit mit 7:8 in Führung, kurz darauf musste Tore Aleksandersen sein Team zur Seitenlinie bitten. 9:12 führten die Suhlerinnen mittlerweile, Allianz MTV offenbarte ungewohnte Schwächen. Zwar berappelten sich die Mädels vom Neckar, Lara Berger und Juliet Lohuis schlossen erfolgreiche Angriffe ab, doch alles in allem liefen die Abläufe nicht wirklich rund. Fehler der Gastgeberinnen holten den wackelnden Primus aber zurück in die Partie. Beim 15:14 durch T’ara Ceasar nahm Laszlo Hollosy das Time-Out. Der erste Durchgang schaukelte sich zum Krimi hoch. Immer wieder wechselte die Führung, beim 23:23 brachte Ilka Van de Vyver die Ihren in Führung und zum Satzball. Ganze vier Satzbälle blieben auf Stuttgarter Seite ungenutzt, bevor dann der Suhler Top-Angreiferin das Treiben zu bunt wurde. Mit einem Ass beendete Danielle Harbin den Abschnitt und versetzte die Arena in Thüringen zum ersten Mal in Ekstase.

Den ersten Satz hätte man noch als Ausrutscher deklarieren können, doch auch in Abschnitt zwei setzte sich die Stuttgarter Schwerfälligkeit fort. Maria Segura war mittlerweile auf dem Feld und analog zum Start in die Partie gelang ja auch der Beginn dieses Durchgangs. Eline Timmerman blockte, Ilka Van de Vyver servierte das Ass zum 2:0. Dann setzte Lara Berger den Ball fast aus dem Stand hinten ins Suhler Feld (3:1). Aber Suhl ließ sich nicht beirren. Hoher Druck beim Service und eine überragende Danielle Harbin hielten den Underdog im Spiel. Und immer wieder kamen die vermeidbaren Fehler bei Allianz MTV Stuttgart hinzu. Bestes Beispiel der Ausgleich zum 3:3, als ein Missverständnis zwischen Roosa Koskelo und Maria Segura zum Suhler Ass führte. Beim 5:8, Kayla Haneline hatte Simone Lee weggeblockt, war der VfB auf drei Punkte enteilt. Bis Mitte des Satzes hielt die Führung, dann kam Allianz MTV durch einen Block von Lara Berger zum 14:14- Ausgleich. Doch das war nur eine Momentaufnahme. Wieder schlichen sich Schlampigkeiten ins Spiel der Gäste ein, eine solche führte zum 18:21 aus Stuttgarter Sicht. Zwar kam man auf Seiten der in schwarz gekleideten Gäste durch ein Ass von Maria Segura und einen Block von Simone Lee nochmal ran, doch schlussendlich durfte wieder Suhl jubeln. Es hieß 0:2 und die Arena in Thüringen war nahe dran, abzuheben.

Ein Punkt war schon weg, und auch die anderen beiden drohten dem Tabellenführer zu entgleiten. Doch dann besann man sich auf Stuttgarter Seite offenbar auf die eigenen Stärken. Fortan bestimmten die Mädels vom Neckar das Geschehen und Tempo in der Suhler Wolfsgrube. Julia Nowicka und Mira Todorova sollten frischen Wind ins Spiel bringen und das gelang auch. Die polnische Zuspielerin stellte den Suhler Block vor andere Aufgaben, Mira Todorova meldete sich direkt mit dem Punkt zur 2:1-Führung an. Als Eline Timmerman den Einbeiner zum 4:1 im gegnerischen Feld versenkte, sah sich Heim-Coach Hollosy früh zur Auszeit gezwungen. Und obwohl Suhl danach zum 4:4 ausglich, war der Tabellenführer aus Stuttgart jetzt endlich im Spiel angekommen. Mira Todorova besorgte das 8:6 mit einem Tip, das Ass von Maria Segura zum 12:9 stellte erstmals einen Drei-Punkte-Abstand her. Die Schwäbinnen waren jetzt in der Spur. Eline Timmerman und T’ara Ceasar bauten den Vorsprung aus, ehe der Angriff von Simone Lee (mit 17 Punkten beste Scorerin Stuttgarts) im Suhler Feld einschlug. T’ara Ceasar beruhigte mit ihrem Pipe die Stuttgarter Nerven gegen aufkommende Gastgeberinnen, Eline Timmerman beendete den Satz und brachte Allianz MTV auf die Anzeigentafel.

Unverändert ging es in den Vierten. Gegen den VfB, der nie Angst vor der eigenen Courage zeigte und weiter mutig aufspielte, brauchte es vor allem Stabilität in der Annahme. Und das bekam die Mannschaft aus der württembergischen Landeshauptstadt immer besser umgesetzt. Wieder gelang der Start blendend, wieder verfiel man danach allerdings in alte Muster. Setzte sich der Tabellenführer in Person von T’ara Ceasar oder Simone Lee ab, konnte der VfB von 1991 immer wieder kontern. So ging es nach Block Mira Todorovas mit einem knappen 8:6 aus Stuttgarter Sicht in die erste Technische. Als direkt danach Maria Segura ihre Cleverness ausspielte, wurde Laszlo Hollosy lauter auf der Suhler Bank. Und zu seinem Gemütszustand trug auch nicht gerade positiv bei, dass man sich auf Wölfe-Seite bei einigen, nun folgenden Aktionen vom Schiedsgericht benachteiligt sah. Der Tabellenführer blieb zunächst, im Stile einer Spitzenmannschaft, unbeeindruckt und setzte sich durch Mira Todorova auf 17:12 ab. Noch hitziger wurde die Situation dann danach, als man sich in Suhl aufgrund zweier kontroverser Situationen zugunsten Stuttgarts auf den ordentlichen Schiedsrichter Stephan Müller und dessen Gespann einzuschießen begann. Die Suhler Wolfsgrube machte ihrem Namen alle Ehre, es gab bisweilen sogar Pfiffe. Unbeeindruckt dessen setzte Allianz MTV den eigenen Plan um, T’ara Ceasar antwortete auf die Stimmung mit einem starken Diagonal-Angriff, danach knallte ein Segura-Ass ins Suhler Feld. Am Ende hieß es 25:20 für Stuttgart. Das 2:2 war nach exakt zwei Stunden geschafft, mit diesem Punkt war der Hauptrundensieg schon perfekt.

Doch das Aleksandersen-Team wollte jetzt mehr. Und so machte sich dieser Samstagabend-Thriller - der es in den Blockbuster-Kanal jedes renommierten Fernsehsenders geschafft hätte - auf, um endgültig zum Drama zu werden. T’ara Ceasar eröffnete den Tie-Break, der bekanntermaßen nur bis 15 geht, solide und brachte ihre Mannschaft mit 1:0 in Führung. Diese Führung konnte Julia Nowicka in einem Duell am Netz ausbauen, es hieß 5:3. Die im fünften Satz stark aufspielende Ceasar hielt den VfB mit ihrem Hinterfeldangriff zum 6:4 auf Abstand, ehe ein Suhler Eigenfehler Laszlo Hollosy zur Auszeit veranlasste. Mit dem Spielstand von 8:6 wechselten beide Teams zum letzten Mal die Seiten. Weiter ging die wilde Fahrt und Maria Segura hatte offenbar keine Lust auf einen weiteren Punktverlust. Ihr Ass zum 9:6 wurde lautstark gefeiert, vermeintlich schien die Vorentscheidung gefallen zu sein. Doch Suhl, um die alles überragende Danielle Harbin (27 Punkte), nervte den Tabellenführer gewaltig – und ging kurz darauf gar mit 9:10 in Führung. Die Stimmung in der Antenne-Thüringen-Volleyball-Arena erreichte ungeahnte Höhen. Kalt antwortete Allianz MTV. T’ara Ceasar glich erst zum 10:10 aus, kurz danach brachte die junge US-Amerikanerin ihre Farben wieder in Führung. Als die spätere MVP Julia Nowicka dann ihren Bonus als Linkshänderin ausspielte und die Suhler Feldabwehr mit einem Angriff aus der Not vollkommen auf dem falschen Fuß erwischte, da hörte man nur noch die mitgereisten Stuttgarter Anhänger. Mira Todorova baute mit ihrem Einbeiner die Führung auf 14:12 aus und nährte die Hoffnung auf einen Auswärtserfolg der Mannschaft vom Neckar. Suhl hielt den Aufschlag, dann kam alles auf den letzten Angriff an. Matchball Allianz MTV und dutzende Augenpaare verfolgten den Weg des Balles, von Maria Segura ins Suhler Feld befördert, an die Hallendecke. Und dort entschied dieser sich dann wirklich in letzter Sekunde, an den Lampen zu kratzen. Das Spiel war beendet, Punkt, Satz und Sieg Allianz MTV nach 137 Minuten. Die Feier vor dem Auswärtsblock mit den treuen Fans konnte beginnen.

Bereits am Montag macht sich der MTV-Tross auf den Weg in die Türkei, wo man am frühen Dienstagabend gegen Eczacibasi Istanbul ins Finale des CEV-Cups startet. Mit immerhin zwei Punkten aus Suhl im Gepäck. Und dem Selbstvertrauen, auch einen Thriller mit 0:2-Satzrückstand gewinnen zu können.