Konnte sich als Top-Scorerin des Matches am Ende die goldene MVP-Medaille umhängen: Dora Grozer.  (Foto: Jens Körner (www.bildermacher-sport.de))

Konnte sich als Top-Scorerin des Matches am Ende die goldene MVP-Medaille umhängen: Dora Grozer. (Foto: Jens Körner (www.bildermacher-sport.de))

Standesgemäß ist Allianz MTV Stuttgart in das „Heimspiel-Finale“ der Hauptrunde der Volleyball Bundesliga gestartet und hat den Tabellenletzten Schwarz-Weiß Erfurt klar mit 3:0 (25:13, 25:19, 25:19) besiegt. Doch so deutlich, wie es das Endergebnis widerspiegelt, war das Match vor allem im zweiten und dritten Satz nicht. Auch wenn Stuttgart einige Spielerinnen für die kommenden Partien schonte: Die Probleme im präzisen, schnellen Spielaufbau (1. Tempo) sowie die unterschwellige Abschlussschwäche über außen (mit deutlich zu hoher Angriffsquote aus der Abwehr heraus mit tiefem, langsamem Zuspiel) bleiben offensichtlich. Viel Arbeit also noch für Trainer Tore Aleksandersen und sein Team bis zum Spitzenspiel am Mittwoch gegen den Dresdner SC ...


Es war wohl vorauszusehen, dass Allianz-MTV-Trainer Tore Aleksandersen gegen Erfurt nicht mit seiner Stamm-Sechs beginnen würde. Nach anstrengenden Wochen galt es, gegen den Tabellenletzten Kräfte zu sparen, ohne Sätze oder gar Punkte abzugeben. Zudem steht schon am Mittwoch das Spitzenspiel gegen Dresden in eigener Halle an, bei dem die Starting-Six auf jeden »Tropfen Sprit im Tank« angewiesen sein wird. Also fanden sich am Samstagabend gegen Erfurt Jenna Rosenthal auf der 2, Dora Grozer auf der 4 und Lena Große-Scharmann auf der 3 auf dem Feld wieder. Und besonders letztere ließ es zu Beginn des ersten Satzes ordentlich krachen: Mit einer Fünfer-Aufschlagserie und zwei Große-Scharmann-Punkten zog Stuttgart auf 8:2 davon, Schwarz-Weiß machte erst mit dem 8:3 seinen ersten selbst erspielten Punkt, zuvor lebte das Team von Neu-Trainer Gil Ferrer Cutino (manch einer mag sich noch an seinen Kurzauftritt als Stuttgarter Trainer im Jahr 2013 zurückerinnern) ausschließlich von Stuttgarter Aufschlagfehlern. Dass diese ab und zu »nötig« waren, kam sicherlich nicht von ungefähr: Es ist bekannt, dass Erfurts Annahme einem hohen Aufschlagdruck selten gewachsen ist. Und Allianz MTV führte diese Schwäche mit hohem Druck und Risiko im Aufschlag par excellence vor. Zur Mitte des Satzes übernahm Dora Grozer das Zepter der Top-Scorerin und erhöhte mit zahlreichen Punkten den Stuttgarter Vorsprung Stück für Stück. Erfurt bekam seine Annahme überhaupt nicht in den Griff – und am Ende des Satzes durfte dann bei Stuttgart noch Hester Jasper ran, punktete sofort nach ihrer Einwechslung und ließ sich auch den Satzball in einem langen Ballwechsel nicht nehmen. Vier Mal wurden die schnellen Angriffe von Allianz MTV vom Erfurter Block ausgebremst – dann versenkte Hester Jasper den Satzball doch noch kompromisslos über rechts longline im Erfurter Feld.

Doch wer sich schon gefreut hatte und mutmaßte, Stuttgarts aktuelle »Krankheit« in Sachen 1. Tempo und Abschlussschwäche beträfe gegebenenfalls »nur die 1. Mannschaft«, sah sich schnell eines Besseren belehrt. Nach einer schnellen 3:0-Führung begannen Aufschlagdruck und auch -länge bei Allianz MTV immer mehr nachzulassen, Erfurt bekam seine Annahme entsprechend besser in den Griff und ging schon zur ersten technischen Auszeit in Führung. Erst eine Segura-Aufschlagserie brachte Stuttgart wieder an SWE vorbei, die Spielstärke der beiden Teams war zu diesem Zeitpunkt aber völlig ausgeglichen. Als Stuttgart sich (weiterhin vor allem dank Dora Grozer und Juliet Lohuis) wieder mit fünf Punkten abgesetzt hatte, begann Richtung Crunchtime die große Zeit des Erfurter Blocks: Stuttgarts Angriffe wurden immer berechenbarer, die Zuspiele waren zu lange in der Luft und kamen immer häufiger auch tief von der Libera. Erfurt war wieder dran. Dass Stuttgart nach kurzer »Krise« den Sack am Ende des zweiten Satzes doch noch zumachen konnte, lag lediglich daran, dass Erfurt irgendwie den Faden im Angriff verlor und wenigstens die letzten drei Aufschlagspiele von Allianz MTV wieder den notwendigen Druck hatten, um die Annahme von Erfurt wirklich in Verlegenheit zu bringen.

Auch zu Beginn des dritten Satzes konnte sich Stuttgart mit einer Aufschlagserie von Dora Grozer einen kleinen Vorsprung erarbeiten. Dieser war aber zur technischen Auszeit schon wieder dahin. Die vermaledeite Abschlussschwäche im Angriff, aber auch deutlich zu wenig 1. Tempo, machten Trainer Aleksandersen zunehmend Sorgen. Zurecht! Erfurt ging mit einem Ass mit 12:13 in Führung, gleichzeitig ließ die Länge der Stuttgarter Aufschläge immer mehr zu wünschen übrig. Bei 14:16 und technischer Auszeit musste man sich ernsthaft Sorgen um einen Satzverlust machen, der sicherlich nicht einkalkuliert war. Doch in der Pause schien der Trainer die richtigen Worte gewählt zu haben: Sechs Punkte am Stück von der Aufschlaglinie von der späteren MVP Dora Grozer (darunter zwei Asse) ließen Allianz MTV endgültig ihren unbequemen Gegner, den man die ganze Zeit über selbst immer wieder unnötig stark gemacht hatte, abschütteln. Erneut kam, wie schon im ersten Satz, Hester Jasper für Maria Segura – und erneut machte sie auch den letzten Punkt, indem sie hoch abspringend den Erfurter Block anschlug und der Ball ins Seitenaus fetzte. Doch diesmal war es kein Satz-, sondern der Matchball gewesen – und das Stuttgarter »Küken« fand sich prompt in einer menschlichen Freudentraube wieder.

»Einen Schönheitspreis gab es heute nicht zu gewinnen«, reflektierte Tore Aleksandersen die Partie wenige Minuten nach dem Abpfiff. »Für uns war das Spiel vielmehr eine gute Gelegenheit, das Potsdam-Match aus dem Kopf zu bekommen, Kraft und Selbstvertrauen zu tanken, um am Mittwoch gegen die derzeitige Top-Mannschaft der Liga bestehen zu können. Und mit Lena Große-Scharmann und vor allem Dora Grozer haben heute Abend auch zwei Kämpferinnen gezeigt, dass sie jederzeit bereit sind, Verantwortung zu übernehmen! Aber natürlich gibt es bis zum Mittwoch noch jede Menge zu tun – auch das hat uns dieses Match eindeutig gezeigt.«

 

Starting Six Stuttgart:
Kästner – Grozer (MVP) – Rosenthal – Lohuis – Große-Scharmann – Segura  –  Libera: Koskelo
 

Starting Six Erfurt:
Barthel – Lenz – Gross – Tosi – Kovac – Palmer  –  Libera: Petter (MVP)