Verschworen in die nächsten Spiele. Allianz MTV kann aus dem Auftritt in Istanbul viel mitnehmen. Foto: CEV

Verschworen in die nächsten Spiele. Allianz MTV kann aus dem Auftritt in Istanbul viel mitnehmen. Foto: CEV

Trotz einer kämpferisch herausragenden Leistung muss sich Allianz MTV Stuttgart im ersten Finalspiel des CEV-Cups Eczacibasi Istanbul geschlagen geben. Beim 1:3 (19:25, 25:22, 20:25, 17:25) erweist sich bei Istanbul vor allem Tijana Boskovic als Erfolgsgarantin. Nichtsdestotrotz ist für das Rückspiel in einer Woche noch alles drin.


Es gab Momente auf dem Feld in Istanbul, da blickte selbst der Topstar grimmig drein. Tijana Boskovic war bisweilen nicht zufrieden mit dem Auftritt des eigenen Teams. Volle Konzentration forderte die Serbin immer wieder ein. Denn auf der anderen Seite des Netzes stand eine Mannschaft, die dem großen Favoriten alles abverlangte. Eine Mannschaft, die das Herz in die Hand nahm und an ihre Chance glaubte. Eine Mannschaft die nie lockerließ. Und die selbst die so frenetischen Fans von Eczacibasi Dynavit Istanbul teilweise gänzlich zum Verstummen brachte. Allianz MTV Stuttgart musste zwar das Hinspiel im CEV-Cup-Finale mit 1:3 auswärts verloren geben. Hat aber gezeigt, dass man mit den ganz Großen mithalten kann. Denn klar war diese Partie nicht immer. Bis Mitte eines jeden Satzes (außer, mit Abstrichen, dem Eröffnunsgsdurchgang) hatten die Stuttgarter Volleyballerinnen ein Wörtchen mitzureden. Dass es dann „nur“ zu einem Satzgewinn reichte, lag einzig und allein an der Klasse der vielleicht besten Spielerin der Welt. An Tijana Boskovic. Mit 34 Punkten avancierte die Kapitänin der Istanbulerinnen zur wichtigsten Spielerin auf dem Feld - und sorgte dafür, dass sich die Gastgeberinnen immer wieder aus schwierigen Situationen lösen konnten. Dennoch ist dieser eine Satzgewinn aller Ehren wert. Einzig die Russinnen aus Jekaterinburg hatten das zuvor gegen Eczacibasi geschafft, am Dienstag war Allianz MTV Stuttgart das zweite Team, dem dies gelang. Und es wäre durchaus mehr möglich gewesen, hätte man die wenigen Chancen, die es gab, um sich abzusetzen, einwandfrei genutzt. So muss der Bundesligist nun im Rückspiel auf eine weitere magische Europapokal-Nacht hoffen. Drei Sätze sind nötig, um gegen den hohen Favoriten den „Golden Set“ zu erzwingen. Dass das schwierig, aber nicht unmöglich wird, das hat die Partie im „Eczacibasi Spor Salonu“ gezeigt.

Ohne Top-Angreiferin Krystal Rivers, dafür mit T’ara Ceasar auf der Diagonalposition begann Allianz MTV das Spiel um 19 Uhr Ortszeit. Und das Team um die Ersatz-Kapitänin Maria Segura zeigte direkt, dass es sich von der typisch hitzigen Atmosphäre in der türkischen Metropole nicht einschüchtern lassen wollte. Das (in der Türkei obligatorische) Pfeifkonzert der Eczacibasi-Anhänger bei jedem Stuttgarter Aufschlag konterte der Bundesligist früh eiskalt. Ilka Van de Vyver bediente Eline Timmerman direkt für das krachende erste Tempo durch die Mitte, unmittelbar danach blockte die niederländische Mittelblockerin gegen Boskovic (2:1 Stuttgart). Eczacibasi, vor allem druckvoll im Aufschlag, kam dann ins Rollen. Boskovic zeigte eine erste Kostprobe ihres Könnens, bevor Juliet Lohuis stark den Block auspackte (4:6). Erzwungen durch die starken Services der „Tiger“ zeigten die deutschen Gäste Schwächen in der Annahme. Eczacibasi nutzte das in Person von McKenzie Adams aus, was Tore Aleksandersen beim Stand von 4:9 zur ersten Auszeit zwang. Überhaupt war das Istanbuler Spiel im ersten Satz zu temporeich, vor allem bei der Kombination zwischen Zuspielerin Maja Ognjenovic und Mittelblockerin Heyrman kam der Stuttgarter Block nicht hinterher. Zwar stemmten sich vor allem Juliet Lohuis (Ass zum 8:12), die starke Eline Timmerman und Simone Lee dagegen, doch Eczacibasi spielte seine Klasse aus. Gegen das druckvolle Spiel und unfassbare Angriffsschläge war schwer anzukommen. Zur Endphase kam Julia Nowicka für Ilka Van de Vyver, die Polin streute nochmal das Ass zum 19:24 ein. Unter dem Strich stand dann aber der verdiente Satzgewinn für Istanbul zu Buche. 5% perfekte Annahme auf Stuttgarter Seite veranschaulichten den Durchgang recht gut.

Im zweiten Satz schien sich der Bundesligist aber akklimatisiert zu haben. Mira Todorova war für Juliet Lohuis eingewechselt worden und die Schützlinge von Tore Aleksandersen hielten das Spiel offen. Und das spürte Eczacibasi. Zwei einfache Fehler der Türkinnen führten zum 7:6, dann zeigte Roosa Koskelo ihre Qualität. Die finnische Libera wehrte zweimal grandios ab, Simone Lee veredelte mit Block-Touch zum 8:7. Erstmals absetzen konnte sich „Stuttgarts schönster Sport“ in der Folge, weil T’ara Ceasar longline die Linie traf und Eline Timmerman einmal mehr das Feld dunkel machte (10:8). Beim 16:13 blockte die Niederländerin zudem gegen Laura Heyrman, Ferhat Akbas nahm die erste Auszeit. Doch Stuttgart war jetzt voll da. Maria Segura besorgte mit ihrem Ass das 19:16, dann machte Eczacibasi Fehler. 21:17 hieß es bei der zweiten türkischen Auszeit und die mitgereisten Stuttgarter Fans witterten den Satzgewinn. Zwar machte es der Favorit nochmal spannend und kam auf einen Punkt heran, doch ein Ass von Top-Scorerin Simone Lee (18 Punkte) sicherte tatsächlich den Satzausgleich.

Den Schwung nahmen die Stuttgarter Mädels direkt mit in den nächsten Durchgang. Eline Timmerman blockte zum 1:0, kurz danach tat es ihr Simone Lee gleich (6:4). Und weil Roosa Koskelo alles rauskratzte, zeigte auch Tijana Boskovic Nerven. Die Serbin schlug den Ball ins Netz. Majestätsbeleidigung und das 8:6. Angestachelt davon meldete sich Eczacibasi zurück. Vier Punkte in Folge gelangen den Gastgeberinnen, ehe Tore Aleksandersen sein Team an die Seitenlinie rief. Beim 12:13 schnupperte man wieder am Satzausgleich, ehe Boskovic das Ass zum 12:15 ins Stuttgarter Feld donnerte. Doch Allianz MTV ließ nicht locker. Mit imponierendem Kampfgeist bot man dem Favoriten weiterhin die Stirn. Und dann brachten zwei Geistesblitze von Ilka Van de Vyver die in schwarz spielenden Gäste wieder in Schlagdistanz. Erst blockte die belgische Zuspielerin zum 16:18, danach ließ sie den Service-Winner folgen. Der Underdog war wieder voll im Geschäft. Dass ihm trotzdem vorerst kein zweiter Satzgewinn vergönnt war, lag an Maja Ognjenovic. Die serbische Weltklasse-Zuspielerin verlud ein ums andere Mal den Stuttgarter Block, dann setzte sie dem Durchgang selbst mit dem Bauerntrick ein Ende. Fazit nach drei Durchgängen: Allianz MTV machte ohne „Go-To-Girl“ Krystal Rivers ein super Spiel, Istanbul nutze allerdings jede kleine Schwäche konsequent aus.

Dieses Bild bestimmte auch den vierten Satz. Eline Timmerman besorgte wieder den optimalen Start, doch Istanbul war selten um eine Antwort verlegen. Eng ging es allerdings allemal zu. Die für T’ara Ceasar gekommene Lara Berger glich mit ihrem Ass zum 4:4 aus, selbiges gelang Simone Lee zum 6:6. Beim 9:8, Eline Timmerman hatte Boskovic geblockt, führte der Außenseiter gar. Und Stuttgart fightete. Simone Lee egalisierte mit dem Hinterfeldangriff zum 10:10 aus, dann punkteten Eline Timmerman, Lara Berger nach langem Ballwechsel und Mira Todorova. Als Simone Lee schließlich wieder per Service-Winner auf 14:14 stellte, war der Stuttgarter Fanblock regelrecht euphorisiert. Mit einem Zwischensprint sorgte Eczacibasi wieder für klarere Verhältnisse und auf Stuttgarter Seite schlichen sich Fehler ein. Beim 15:19 nahm Tore Aleksandersen seine letzte Auszeit, doch Tijana Boskovic war nicht zu stoppen.  Der Glaube ließ nach und die Serbin beendete das Spiel mit einem Block. Am Jubel der Spielerinnen von Eczacibasi ließ sich eine Menge Erleichterung ablesen. Die Stuttgarter Spielerinnen konnten ihrerseits mit erhobenen Köpfen das Feld verlassen. Das Team zeigte das gesamte Spiel über eine kämpferisch wie spielerisch hervorragende Leistung und kann zurecht stolz auf sich sein. Und wer weiß, im Hexenkessel SCHARRena ist alles möglich. Das war schließlich zuletzt im Dezember 2021 zu beobachten, als mit identischer Ausgangsposition Busto Arsizio im Golden Set bezwungen wurde.

Am Mittwoch macht sich der Allianz MTV-Tross auf die Rückreise in die Heimat, ehe am Sonntag in Wiesbaden direkt das nächste Endspiel ansteht. Dann wartet das DVV-Pokalfinale gegen Dresden.

 

Fotos: CEV