Stuttgart verliert sein Heimspiel gegen Schwerin. Manchmal ist eben auch sehr gut nicht gut genug. (Foto: Moritz Bosold)

Stuttgart verliert sein Heimspiel gegen Schwerin. Manchmal ist eben auch sehr gut nicht gut genug. (Foto: Moritz Bosold)

Einen Schlagabtausch auf höchstem Qualitätsniveau bekamen die 2.250 Besucher am gestrigen Samstagabend in der ausverkauften SCHARRena in Stuttgart zum Jahresabschluss der Volleyball Bundesliga 2019 geboten. Der amtierende Deutsche Meister Allianz MTV Stuttgart und der aktuelle DVV-Pokalsieger SSC Palmberg Schwerin duellierten sich über drei Sätze lang absolut ebenbürtig – kleinste Fehler, von denen es kaum welche gab, waren spielentscheidend. Am Ende war es dann schließlich Stuttgart, das zuerst die Konzentration in der Annahme gegen einen sehr effizienten Gegner verlor – und nachfolgend auch gleich das Match.


Schon zehn Tage zuvor hatten sich die beiden Dauerrivalen erstmals unterhalb der Mercedes-Benz-Arena zum „Kräftemessen“ getroffen – damals gewann Stuttgart in fünf hochdramatischen Sätzen gegen die Norddeutschen und zog umjubelt ins DVV-Pokalfinale ein. Das Match lebte von seinen Emotionen, war volleyballtechnisch aber eher kein Leckerbissen. Dass die Partie gestern Abend unter einem ganz anderen Stern stehen würde, wurde dem Publikum schnell klar. Von Anfang an setzten beiden Mannschaften ihren Gegner mit starken Aufschlägen unter Dauerdruck – normalerweise ein Garantieschein dafür, um auf die Siegerstraße einzubiegen – wenn man dies dauerhaft durchhalten kann. Doch auch beide Abwehrreihen glänzten schon zu Beginn mit einer starken Annahme und schnellem, präzisem Spielaufbau, sodass Blockpunkte zur Mangelware wurden. Bis die „Mauer“ jeweils stand, war der Spielzug in der Regel längst beendet. So entschieden Kleinigkeiten den ersten (und auch die folgenden zwei Sätze).
Ein erstes Ausrufezeichen setzte Stuttgart mit einer Aufschlagserie von Ainise Havili, die Stuttgart (unter anderem mit einem Ass) mit 9:5 in Front brachte. Diese Führung konnte Stuttgart bis zur Mitte des Satzes aufrechterhalten, unter anderem, weil Schwerin plötzlich mit vier Aufschlagfehlern hintereinander gar nicht in die Nähe von Breakpunkten kam (dies sollte sich im Laufe des Matches aber noch dramatisch ändern, Schwerin kam bis zum Ende des Matches auf fast doppelt so viele Breakpunkte wie Stuttgart). Manch einer in der Halle fragte sich zu diesem Zeitpunkt, ob sich wohl das hohe Fehlerrisiko der vielen Sprungaufschläge bei Schwerin durch Drewniok, Adams und Hanke tatsächlich dauerhaft auszahlen würde. Doch dieses Risiko scheint Trainer Felix Koslowski in dieser Saison bewusst in Kauf zu nehmen – und oft geht diese Rechnung ja auch auf. Am gestrigen Tage war es aufgrund der guten Stuttgarter Defensive sicherlich eher ein Nullsummenspiel. Dank der starken Kimberly Drewniok ging Schwerin in der Crunchtime dann aber plötzlich doch wieder in Führung. Diesmal schlugen zwei von den besagten Sprungaufschlägen dann doch tatsächlich hintereinander als Asse im Stuttgarter Feld ein, 21:23. Doch Stuttgart zahlte sofort mit gleicher Münze zurück, verlor von da an keinen Punkt mehr: Unter anderem zweimal Krystal Rivers (einmal über rechts, einmal per Hinterfeldangriff) und ein Schölzel-Angriff, der an der Netzkante hängen blieb, markierten den 25:23-Satzgewinn für den Deutschen Meister. Es sollte allerdings das letzte Mal an diesem Abend bleiben, dass Schwerin ganze vier Punkte am Stück verlor …


Nicht mehr ganz auf 100-Prozent-Niveau, aber immer noch viel zu schnell für den jeweiligen gegnerischen Block, ging es auch im zweiten Satz weiter. Der Aufschlagdruck blieb hoch, die Annahmen stabil, das Zuspiel präzise und schnell – beide Teams neutralisierten sich bis zur zweiten technischen Auszeit fast komplett. Emotional ist das natürlich für die Fans eher nicht so prickelnd, für den Volleyball-Feinschmecker jedoch erste Sahne und ein Leckerbissen. Erst eine Drei-Punkte-Aufschlagserie von Celine van Gestel, bei der Martina Samadan dann doch mal zwei der wenigen Blockpunkte (und dann auch noch hintereinander) einheimste, um kurze Zeit später mit einem schnellen Aufsteiger durch die Mitte auch noch für die 20:18-Führung für Stuttgart zu sorgen, schien eine Vorentscheidung zu bringen. Die schwäbischen Fans wähnten sich angesichts der wenigen Fehler schon auf der Siegerstraße. Doch dem Ende des zweiten Satzes drückte dann Schwerins Außenangreiferin Greta Szakmary ihren Stempel auf – und kehrte dabei die Vorzeichen des ersten Satzes genau ins Gegenteil um: Bei Aufschlag Lauren Barfield punktete Schwerin fünffach, Szakmary blockte dabei allein einen Angriff von Krystal Rivers über rechts – um gleich danach einen eigenen Schnellangriff über die linke Seite im Stuttgarter Feld zu versenken. 22:25, der Satzausgleich war für Schwerin geschafft!


Auch im dritten Satz, in dem einmal mehr der große Wert von Diagonalangreiferin Krystal Rivers für das Stuttgarter Team erkennbar wurde, neutralisierten sich beide Teams aufgrund ihrer starken Defensive total. Auch wenn subjektiv stets eine etwas größere Kaltschnäuzigkeit und Effizienz im Angriff der Mannschaft von Trainer Felix Koslowski zu erkennen war, so wusste sich Stuttgart doch in der Regel souverän aus der Gefahr eines Punktverlusts zu retten. Stuttgart gewann Mitte des Satzes sogar ALLE spektakulären Ballwechsel, wusste das Momentum aufkeimender Stärke und noch größerer emotionaler Fanunterstützung allerdings nicht in Breaks gegen das immer geschlossener wirkende Schweriner Team umzuwandeln. Krystal Rivers und Alexandra Lazic punkteten in der Crunchtime reichlich für Stuttgart – und doch war es am Ende erneut Greta Szakmary, die das Satzende prägte: Drei Punkte am Stück machte die Ungarin hintereinander über links, das bedeutete eigentlich schon den Satzgewinn! Doch die Schiedsrichterin wollte beim Satzball eine Netzberührung Schwerins gesehen haben und gab Punkt für Stuttgart, was der uneinsichtigen Außenangreiferin eine gelbe Karte einbrachte. Marie Schölzel ließ all dies unbeeindruckt: Mit einem kurzen, schnellen Aufsteiger in der Mitte holte die Nationalspielerin endgültig den letzen noch fehlenden Punkt für Schwerin zum 23:25 und den zweiten Satzgewinn.


Auch gleich zu Beginn des vierten Satzes glänzte Greta Szakmary als Punktesammlerin Nummer eins, nutzte mehrfach die erste wirkliche Schwächephase eines der beiden Teams auf dem Platz schonungslos aus. 3:8 lag Stuttgart schon zur ersten technischen Auszeit zurück, Trainer Giannis Athanasopoulos musste reagieren und versuchte, durch die Hereinnahme einer neuen Zuspielerin (Cansu Aydinogullari) und Jenna Rosenthal im Block einen Impuls zu setzen. Später kam dann noch Annie Cesar zur Entlastung von Alexandra Lasic auf der Außenposition zum Einsatz. Doch wie das so ist, wenn sich zwei Teams auf einem derart hohem Niveau über längere Zeit personell quasi unverändert duellieren: Wer dann als „Ersatz“ reinkommt, um noch etwas „zu retten“, wird in wirklich eiskaltes Wasser geworfen! Und so kam es, wie es kommen musste: Stuttgart geriet plötzlich zum „Spielball“ in einem abgebrüht vorgetragenen Schweriner Angriffswirbel, das neue Mannschaftsgefüge hatte den Norddeutschen kaum mehr etwas entgegenzusetzen. So verlor Allianz MTV, dem vorigen Spielverlauf leider etwas unwürdig, den vierten Satz mit 13:25 – und das Match mit 1:3. Für Schwerin war die Revanche für das unglückliche Pokal-Aus somit gelungen und Stuttgart konnte sich leider nicht für eines der besten Matches des Bundesliga-Jahres wenigstens mit einem Punkt für die Tabelle belohnen. So winkt nun Schwerin von der Tabellenspitze – und auch der SC Potsdam ist wieder näher an den Platz an der Sonne herangerückt. Für Allianz MTV beginnt nun die dringend nötige Spielpause über den Jahreswechsel hinweg – und Roosa Koskelo & Co. gehen mit dem immer wieder gerne von Allianz-MTV-Manager Aurel Irion zitierten Satz in die Feiertage: „Wir wollen ja nicht jedes Spiel während der Saison gewinnen – aber in jedem Fall das letzte!“

 

Starting Six Stuttgart:
Havili – van Gestel – Samadan – Lohuis – Rivers – Lazic – Libera: Koskelo
 

Starting Six Schwerin:
Hanke – Adams – Barfield – Schölzel – Drewniok – Szakmary – Libera: Pogany