DVV-Pokalschreck hat wieder zugeschlagen

Unfassbarer Kampf im DVV-Pokal - und Stuttgart gewinnt! (Foto: www.tombloch.de)

Allianz MTV holt sich nach grandioser Aufholjagd erneut den Titel.

In einer denkwürdigen Partie schlägt Allianz MTV Stuttgart den SSC Palmberg Schwerin beim Finale um den Deutschen Volleyball-Pokal 2017 mit 3:2-Sätzen. In der Mannheimer SAP-Arena zeigte das Team von Trainer Guillermo Hernandez am Sonntagnachmittag nach zwei bereits verlorenen Sätzen wieder einmal spektakulär auf, warum es als „Pokalspezialist“ und Kämpfertruppe par excellence gilt. Für Valerie Nichol & Co. ist es bereits der dritte Titel in diesem Wettbewerb nach 2011 und 2015.

Dass es am Ende noch zu einem „Jubel in Blau“ kommen könnte, hatte nach zwei Sätzen in der UFO-ähnlichen Sportarena im Mannheimer Osten wohl kaum einer der 10.143 Zuschauer gedacht, vor allem nicht die jubelnde, gelbe Fan-Gemeinde aus Deutschlands Osten. Zwar gestaltete sich vor allem der erste Durchgang durchaus ausgeglichen und mit erstaunlich wenig Nervosität auf beiden Seiten des Netzes, aber Schwerin zeigte die etwas stabilere Spielanlage und lag auch bis zur Mitte des Satzes konstant vorn. Vor allem Louisa Lippmann und Jennifer Geerties schienen sich Einiges vorgenommen zu haben. Nicht einmal die ausgefallene Hallenbeleuchtung konnte die beiden Angreiferinnen zu diesem Zeitpunkt stoppen. Zur Mitte des Satzes ging Stuttgart dann nach einem Einzelblock von Renatá Sándor gegen Lippmann mit 17:16 in Führung. Jetzt – in der Crunchtime, wo es darauf ankommt – kroch dann aber doch so langsam in beiden Mannschaften die Nervosität hoch. Die Folge war eine Reihe von Aufschlag- und Annahmefehlern, wie man sie in den 20 Minuten zuvor wenig gesehen hatte. Dann schlug die „Stunde“ von Jennifer Geerties. Mit zwei Schnellangriffen (und Breaks) hintereinander über links brachte sie ihrem Team den Satzball, den Ariel Gebhardt gleich im Anschluss auch direkt verwandelte (22:25).

Den zweiten Satz dominierte Schwerin dann relativ klar. Felix Koslowskis Team hatte sich in der Annahme weiter stabilisiert, die Aufschläge von Maren Brinker & Co. setzten die Feldabwehr des schwäbischen Teams zunehmend unter Druck. Die Fehlerquote bei den Frauen in Gelb lag quasi bei Null, Schwerin wusste auf jedes Minibreak von Stuttgart die richtige Antwort. Mehrere Breakserien brachten die Mecklenburgerinnen schließlich uneinholbar mit 10:18 und schließlich 14:24 in Front. Uneinholbar? Guillermo Hernandez brachte Jennifer Pettke aufs Feld, später wieder Deborah van Daelen für Aiyana Whitney und auch Kiki Kocar für Valerie Nichol, um neue Spielimpulse zu setzen. Schon zu diesem Zeitpunkt klappte dies überraschend gut; geführt von einer wütenden Renatá Sándor wehrte Allianz MTV insgesamt sieben Satzbälle ab, erst Satzball Nummer 8 konnte Jennifer Geerties dann über links longline auf die Linie setzen. Satzgewinn, 21:25. Doch in der scheinbaren Ausweglosigkeit hatte sich grob ein Stuttgarter Team gefunden, dass dem Schweriner Tatendrang anscheinend mehr entgegenzusetzen wusste, als die Starting Six.

Hernandez schenkte zunächst trotzdem seiner Stamm-Zuspielerin Valerie Nichol wieder das Vertrauen für Satz 3. Doch sie hatte nicht wirklich ihren besten Tag. Nach einer Vierer-Breakserie von Schwerin, die Maren Brinker mit zwei Angriffspunkten über links durch den Stuttgarter Block krönte, brachte Hernandez dann bei 3:6 doch wieder Karmen Kocar. Zusammen mit Jenni Pettke, Debbie van Daelen und Nia Grant schien nun die „richtige“ Sechs auf dem Platz gefunden! Geführt von den Leistungsträgerinnen Sándor und Mlejnkova wurde die Schweriner Führung egalisiert und mit einer großartigen Serie in eine komfortable 17:9-Führung umgedreht. Ein krachender Danke-Ball von Renáta Sándor nach schlechter Annahme von Lousie Souza-Ziegler ließ die „blaue Fan-Wand“ in der Arena beben. Doch Geerties und Lippmann wollten mit aller Kraft die lange titellose Zeit des SSC beenden, schlugen mit zwei Breakserien und sogar der 22:21-Führung für Schwerin zurück. Guillermo Hernandez konnte nur noch den Kopf schütteln angesichts des verspielten Vorsprungs, trotz klarer Blockhoheit auf dem Feld. Den entscheidenden Kick zum Satzgewinn für Stuttgart gab dann die Spielerin des 3. Durchgangs, Debbie van Daelen. Ein Ass bei ihrem Aufschlagsspiel brachte den ersten Matchball beim Stand von 24:22, nachdem sie das Team mit zahlreichen Punkten zu Beginn schon aus dem Rückstand und nachfolgend klar in Front geführt hatte. Ein Kurzangriff von Pettke über rechts beendete den Satz mit 25:23, Stuttgart war unter den tosenden Jubelstürmen seiner Fan-Kolonie wieder im Match. Im vierten Satz bekam dann der geneigte Volleyball-Fan Unglaubliches zu sehen. Schwerin kämpfte aufopferungsvoll um jeden Punkt – und konnte dem jetzt in neuer Besetzung rollenden und noch mehr kämpfenden „Allianz-MTV-Zug“ kaum noch etwas entgegensetzen. Unglaubliche Rettungstaten und spektakuläre Ballwechsel waren an der Tagesordnung. Eine überragende Michaela Mlejnkova, die gerade erst ihren Vertrag in Stuttgart verlängert hat, schoss Stuttgart mit 10:4 in Front – mit einem Außenangriff über links und genau durch die Hände von Denise Hanke. Felix Koslowski versuchte personell gegenzusteuern, das Drehen des Matchs zu verhindern. Doch alle Rochaden auf dem Feld (Dannemiller auf Zuspiel rein, Lohmann auf Außen rein und mehr) brachten nicht den gewünschten Erfolg. Im Gegenteil: Sein Team wirkte zunehmend verunsichert, verhalf Stuttgart mit einem Aufschlagfehler und insgesamt drei direkten Annahmefehlern in Folge zu weiteren Breaks und beim Stand von 24:14 zum Satzball und der Chance zum Ausgleich. Bezeichnend war die Tatsache, dass Stuttgart zu diesem Zeitpunkt nicht mal um den Satz kämpfen musste. Ein Aufschlagfehler von Marie Schölzel brachte das 25:15. Das Momentum lag nun klar auf Stuttgarter Seite.

Und im Gegensatz zur 2:3-Heimspielniederlage in der Bundesliga im Dezember 2016 blieb Stuttgart dieses Mal auf der Siegerstraße. Eine Aufschlagserie der immer selbstbewusster auftretenden Kiki Kocar brachte schnell die 6:2-Führung für Stuttgart im Tiebreak, später das 10:5 durch einen krachenden Hinterfeldangriff von Michaela Mlejnkova. Durch Konzentrationsschwächen brachten sich Nia Grant & Co. dann zwar wieder unnötig in Not – doch ein Aufschlagfehler zum 10:13 aus Schweriner Sicht ließ wohl die letzten Hoffnungen beim „Schweriner Bundestrainer“ Koslowski sinken. Ein krachender Block von Kocar/Grant gegen die heranfliegende Louisa Lippmann brachte insgesamt vier Matchbälle. Zwei davon konnte Schwerin abwehren – in die Pokalgeschichte eingehen wird aber der entscheidende Matchball zum 15:12, Dauer 45 Sekunden, bei dem erst im sechsten Angriffsversuch und nach unfassbaren Rettungstaten Renatá Sándor ihr Team und die Fans in den siebten Jubelhimmel schoss – direkt durch einen wirklich eng stehenden SSC-Block.

Nachdem sich das blaue Jubelknäuel auf dem Feld wieder entwirrt und der ohrenbetäubende Lärm aus dem feiernden Stuttgarter Fanblock etwas nachgelassen hatte, machte eine den Tränen nahe Mittelblockerin Jennifer Pettke aus ihrem Herzen keine Mördergrube: „Wir haben uns grandios zurückgekämpft nach zwei höchstens mittelprächtigen Sätzen – und haben wirklich alles gegeben. So gewinnt man Titel! Die Serie abgewehrter Satzbälle im zweiten Durchgang war für mich entscheidend, das hat uns emotional wieder ins Match gebracht. Und ein Wort zu den Fans: Einfach unfassbar, unsere absoluten Ober-Unterstützer!!“ Auch Trainer Guillermo Hernandez musste auf Nachfrage erst nach Worten suchen, für das, was er in der Halle erlebt hatte: „Unglaublich, was die Mädels nach dem 0:2 auf die Beine gestellt haben! Wir hatten einfach nichts mehr zu verlieren, konnten fast frei aufspielen. Einige Auswechslungen haben heute das Team zueinander geführt, das für Schwerin die richtigen Antworten und die Tagesform parat hatte! Manchmal ist eben auch die angebliche „zweite Reihe“ die stabilere. Falls es sowas bei uns überhaupt gibt …“


Allianz MTV Stuttgart – wir sind Volleyball!