Fotos: CEV

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Die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart sind heute sicher, und vor allem gesund, am Airport in Stuttgart gelandet. Mit dabei hatten sie alle neben ihrem Gepäck auch Erfahrungen und ein Lächeln im Gesicht. Ein Rückblick auf ein in jeder Hinsicht denkwürdiges Turnier in der Türkei.


Vor dem Abflug in Richtung Bosporus, da war die Haltung bei den Verantwortlichen um Kim Renkema eher in Richtung „wir wollen Spaß haben, und jede Erfahrung genießen“ einzuordnen. Es wurden keine Siege eingefordert, kein Ziel ausgegeben, die Erwartungshaltung war niedrig. Völlig zurecht im Übrigen, hatte man doch mit Pool D die schwierigste Gruppe zugelost bekommen. Dinamo Moskau, Eczacibasi VitrA Istanbul sowie Lokomotive Kaliningrad versprachen zwar Spitzenvolleyball, Lerneffekt und die Stars des Sports aus nächster Nähe, nicht unbedingt jedoch die Aussicht auf Erfolg. Hinzu kam, dass die Mannschaft die letzten Ligaspiele nicht den souveränsten Eindruck machte. Insofern war die Ausgangslage klar, als der Flieger nach Istanbul abhob.

Und dann kam der 8.12.20. Die Mannschaft war sicher gelandet, war eingecheckt, und hatte zwei leichte Einheiten absolviert. Nichts Außergewöhnliches also. Und doch begann das Spiel gegen die Gastgeberinnen von Eczacibasi Istanbul an diesem Abend um 20 Uhr Ortszeit überhaupt nicht wie erwartet. Da war eine Mannschaft, die fightete, die sich lautstark pushte, und die guten, teilweise herausragenden Volleyball zeigte. Aber diese Mannschaft trug nicht etwa orangene Trikots, und hatte eine Tijana Boskovic in ihren Reihen. Das Team in den schwarz-blauen Jerseys aus Stuttgart gestaltete das Spiel. Die 1:0 Satzführung durch einen Aufschlagfehler durch Istanbul hätte man noch als glückliche Fügung bezeichnen können. Als dann aber, bedingt durch hohen Stuttgarter Aufschlagdruck, der zweite Satz in Richtung der Damen um Kapitänin Krystal Rivers ging, war der Punktgewinn amtlich. VitrA-Coach Marco Aurelio Motta rief seine Mannschaft wütend zur Seitenlinie. Dass der türkische Rekordchampion stark zurückkam und letztlich seine Klasse ausspielte – geschenkt. Krystal Rivers und Michaela Mlejnkova glänzten mit 18 bzw. 13 Punkten. Erik Reitsma war stolz auf sein Team. Ein unfassbar knappes 2:3 im ersten Gruppenspiel gegen den Favoriten des Pool D. Eine Leistung die eigentlich nicht zu toppen war.

Freilich, direkt am nächsten Tag stand das Spiel gegen den russischen Ligaprimus Dinamo Moskau an. Tags zuvor mit dem Sieg gegen Kaliningrad und mit Nataliya Gonchareva sowie Natalia Pereira zwei Ausnahmespielerinnen in den eigenen Reihen. Letztere dekorierte Goldmedaillengewinnerin bei Olympia 2016. Der nächste haushohe Favorit, der sich somit Allianz MTV in den Weg stellte. Wieder gewann das Team von Erik Reitsma den ersten Satz, diesmal in einem 29-27 Krimi. Aber Moskau kam zurück. Als es 1:2 stand, sah es nach einer Niederlage aus. Das Spiel am Tag zuvor war wohl einen Tick zu anstrengend gewesen. Doch wieder belehrte uns die so grandios aufspielende Mannschaft eines Besseren. Punkt um Punkt machten unsere Mädels, Asse folgten auf Blocks. Schlussendlich hieß es 25:14 (!), es ging wieder in den Decider. Und diesmal hatte Allianz MTV die stärkeren Nerven. Als Krystal Rivers schließlich den Matchball versenkte gab es kein Halten mehr. Mit 3:2 hatte man das Starensemble aus Moskau geschlagen. Krystal Rivers krönte sich mit einer berauschenden Leistung und 25 Punkten zum MVP, Michaela Mlejnkova stand ihrer Kapitänin in nichts nach. Mit 23 Punkten machte die junge Tschechin ihr bisher bestes Spiel nach ihrer Rückkehr ins Stuttgarter Trikot. Alles in allem brachte aber jeder Mannschaftsteil eine überragende Leistung. Von der Starting-Six über den Coaching Staff sowie die Wechselspielerinnen, die jede Aktion lautstark feierten. Oder wie es am Schluss Moskaus Angreiferin Yana Shcherban ausdrückte: „Ich würde mir in Russland mehr derartigen Widerstand wünschen, es ist toll gegen einen so starken Gegner zu spielen.“ Lob gab es auch von der Olympiasiegerin persönlich. „Stuttgart hatte es verdient, sie haben großartig gespielt“, meinte Natalia Pereira. Und auch auf Stuttgarter Seite war die Freude über den Coup groß. Athina Papafotiou war „überglücklich“, auch Michaela Mlejnkova bescheinigte den Ihren eine großartige Leistung. Am stolzesten war aber sicherlich das Gespann Reitsma, Renkema, Irion, welches strahlend durch die Halle lief.

Einen Tag später war der Gegner wieder aus Russland, diesmal stand Lokomotive Kaliningrad auf der anderen Seite des Netzes. Die Mannschaft von Coach Andreyi Voronkov war mit zwei Niederlagen gestartet, es sollte also Wiedergutmachung her. Dementsprechend fokussiert und positiv giftig gingen die in Rot spielenden Russinnen vor. Nun zeigte sich auf Stuttgarter Seite auch, dass die zwei vorherigen Spiele unfassbare Kraft gekostet hatten. Mit 0:3 unterlag man am Ende gegen Lokomotive. Aber auch hier konnte die jüngste Mannschaft der Gruppe D überzeugen, spielt doch auch Kaliningrad normal in einer ganz anderen Güteklasse als der Meister von 2019. Juliet Lohuis zeigte sich am Schluss, stellvertretend für das Team, etwas enttäuscht über die Niederlage.

Dennoch wusste auch die Niederländerin was sie und ihre Kolleginnen gemeinsam in diesen Tagen von Istanbul geleistet hatten. Man konnte hoch erhobenen Hauptes zurück ins Hotel kehren. Allianz MTV Stuttgart hat sich international einen Namen gemacht. Die Mädels spielten berauschenden Volleyball, beglückten die Anhänger zuhause. Darüber hinaus ging die Organisation reibungslos über die Bühne, sodass am heutigen Nachmittag alle gesund in Stuttgart landeten. Jetzt gilt es den Schwung und das Selbstvertrauen in die Liga mitzunehmen. Im Februar geht es international in Kaliningrad weiter. Unterschätzen wird diese Mannschaft wohl niemand mehr.

Fotos: CEV