Kollektiver Freudentaumel. Allianz MTV bezwingt Lodz im Tie-Break. Foto: CEV/Bildermacher-Sport Jens Körner

Kollektiver Freudentaumel. Allianz MTV bezwingt Lodz im Tie-Break. Foto: CEV/Bildermacher-Sport Jens Körner

Allianz MTV Stuttgart hat in der Champions League den nächsten Sieg eingefahren, den eigenen Fans aber wieder eine Zitterpartie beschert. In der einmal mehr stimmungsvollen SCHARRena bezwangen die Aleksandersen-Schützlinge Lodz mit 3:2 (32:30, 18:25, 25:15, 19:25, 17:15) und halten vorerst die Tabellenführung in der Gruppe D. Gerade die Sätze Eins und Fünf waren aber nervenaufreibend.


Sie können es nicht lassen. Im zweiten CL-Heimspiel sind die MTV-Damen zum zweiten Mal über die volle Distanz gegangen und haben ihren Fans im Hexenkessel zum zweiten Mal eine Achterbahnfahrt an Emotionen geboten. Als Marie Schölzel mit ihrem dritten Ass den Matchball zum 3:2-Endstand verwandelte, da kochten diese Emotionen über. Die SCHARRena wurde zum Tollhaus, schonwieder in der Champions League, schonwieder nach einem Thriller. Am Ende waren alle fix und fertig, „Matchball-Verwandlerin“ Marie Schölzel legte sich schon vor dem obligatorischen Ausdehnen auf den Boden, Geschäftsführer Aurel Irion musste einmal kräftig durchpusten. Und Zuspielerin Britt Bongaerts war einfach nur „super happy“ dass sie mit ihrer Mannschaft das Spiel noch den eigenen Gunsten entschieden hatte. Denn dieses 3:2 war ein hartes Stück Arbeit, Lodz, von vielen angereisten Fans unterstützt, erwies sich als der erwartet schwere Brocken. Beispiel gefällig? Den ersten Satz konnte „Stuttgarts schönster Sport“ erst im Nachklapp mit 32:30 für sich entscheiden, vielen Fans standen da schon die Schweißperlen auf dem Gesicht. Und das sollte ja erst der Anfang gewesen sein.

Runderneuert im Vergleich zum Emotionen-Auswärtsspiel in Straubing begann der Bundesligist die fünfte Partie der Champions League-Gruppe D. Britt Bongaerts zog die Fäden auf der Zuspielposition, im Mittelblock durften Eline Timmerman und Marie Schölzel ran. Auf Außen agierten Maria Segura und Laura Künzler, auf der Diagonalen begann Krystal Rivers. Und gleich der erste Ballwechsel der Partie deutete an, dass man sich in der Arena am Neckarpark auf einen langen Abend einstellen konnte. Nach langem hin und her eröffnete Eline Timmerman mit dem ersten Tempo die Partie, nach langem Ballwechsel und dem anschließenden Rivers-Punkt zum 7:7 zeigte sich die SCHARRena jubelmäßig zum ersten Mal auf Betriebstemperatur. Danach setzen Maria Segura per Ass und Britt Bongaerts per sehenswertem Zuspiel auf Laura Künzler die nächsten Highlights, doch absetzen konnte sich der deutsche Vertreter nicht. Vielmehr musste man immer wieder einem kleinen Rückstand von zwei Punkten hinterherlaufen. Doch weil Krystal Rivers konstant punktete, Eline Timmerman den Einbeiner traf und Laura Künzler blockte, stand es in der Crunch-Time auf einmal 20:19 pro Stuttgart und Lodz musste das Time-Out ziehen. Aber Lodz ließ sich nicht entmutigen und so kam es, dass die Polinnen mir nichts dir nichts ausgleichen, sich ja sogar Satzbälle organisieren konnten. Doch das „Go-To-Girl“ in dieser Phase hieß Laura Künzler, die Schweizerin wehrte mit ihren erfolgreichen Angriffen Satzball um Satzball ab. Schlussendlich war es dann Krystal Rivers, die dem Treiben im ersten Durchgang ein Ende setzte und per Block-Touch zum 32:30 punktete.

Doch anstatt den Schwung und das Momentum mitzunehmen, gerieten die Gastgeberinnen direkt in Rückstand. Schnell lag die Aleksandersen-Truppe mit 3:7 zurück, kämpfte sich danach aber sukzessive an die Polinnen heran. Eline Timmerman und Maria Segura blockten im Verbund gegen Lodz-Star Valentina Diouf, dann brachte Krystal Rivers den Ball zum 8:8 auf den Boden – Auszeit LKS Lodz. Mitte des Satzes führten die in weiß gekleideten Schwäbinnen gar mit 14:12, Zuspielerin Britt Bongaerts hatte die Gäste per Zuspielfinte düpiert. Und es kam noch besser – Marie Schölzel schlug gut auf und Krystal Rivers verwandelte die zu lange Abwehr Lodzs zum 15:12. Und wieder musste der italienische Coach Alessandro Chiappini zum Time-Out greifen. Doch danach riss der Faden bei Allianz MTV, Lodz ging in Führung und gab diese auch bis zum Satzende nichtmehr her. 1:1, der Ausgleich wurde von den mitgereisten Schlachtenbummlern aus Polen frenetisch bejubelt.

In Satz drei gab es dann analog zum vorangegangenen Durchgang wieder eine schnelle und deutliche Führung, doch dieses Mal waren die Gastgeberinnen an der Reihe. Marie Schölzel und Krystal Rivers organisierten das schnelle 4:1, dann bauten Maria Segura und Eline Timmerman per Block die Führung sogar auf 7:2 aus – Time-Out LKS. Und es kam noch besser, Marie Schölzel legte das Ass zum 9:2 hin. Zwar knabberte Lodz etwas vom Rückstand weg, doch Allianz MTV hatte immer eine bessere Antwort parat. Ob nun Laura Künzler, Krystal Rivers, Maria Segura per Ass. Sie alle hielten die Aufholjagd der Gäste im Rahmen und sicherten sich den dritten Abschnitt mit 25:15.

Dass dieser Satz nur ein Ausrutscher in einem bis dato sehr ausgeglichenen Match war, dass zeigten beide Mannschaften wieder in der Folge. Begünstigt durch eine fragwürdige Schiedsrichterentscheidung bei einer Challenge konnte Lodz in Führung gehen, doch Fehler der Gäste glichen die Partie wieder aus. Dennoch war Stuttgart in der Annahme nichtmehr so wach, die Fehler häuften sich und die Gäste profitierten. Zwar blieben die MTV-Damen in Schlagdistanz, vor allem über Krystal Rivers (mit 30 Punkten Stuttgarts beste), doch als Lodz am Ende davonzog und Britt Bongaerts von einem Ball hart im Gesicht erwischt wurde, schien der Stecker bei AMTV gezogen.

Satz Fünf, Tie-Break. Wieder trieb es „Stuttgarts spannendster Sport“ auf die Spitze, wieder brauchte man auf den Rängen der SCHARRena Beruhigungsmittel. Ein Sieg wäre für das Erreichen der nächsten Runde immens wichtig und genau so spielte das Aleksandersen-Team jetzt auch. Getragen von den 2052 Zuschauern legte Allianz MTV einen Sahne-Start in diesen fünften Durchgang hin. Krystal Rivers eröffnete den Tie-Break, dann sorgte die US-Amerikanerin und spätere MVP für das schnelle 3:1. Als dann auch noch ein Block Stuttgarts ins Feld fiel, musste Lodz zur Auszeit greifen. Doch Stuttgart war voll fokussiert. Krystal Rivers per Pipe zum 6:2, dann Maria Segura und schließlich der Einbeiner von Marie Schölzel ließen die SCHARRena beben. 8:2 stand es beim Seitenwechsel, die Halle tobte – und dann fing das große Zittern an. Punkt um Punkt kämpften sich die Polinnen heran, auf einmal stand es nur noch 8:7, fünf Punkte in Folge von Diouf und Co. und die Auszeit von Tore Aleksandersen war folgerichtig. Würde sich Allianz MTV das noch nehmen lassen? Die Nerven aller wurden, wie schon gegen Fenerbahce bis aufs äußerste auf die Probe gestellt. Beim Block von Eline Timmerman zum 10:7 wähnte sich halb Stuttgart schon im Ziel, doch zwei Zeigerumdrehungen später war der LKS wieder auf einen Punkt dran. Dann übernahm MVP Krystal Rivers. Erst per Block, dann per erfolgreichem Angriff. Und schließlich hatte Marie Schölzel die passende und perfekte End-Szene für diesen Thriller von der SCHARRena parat. Per Ass. Ihr drittes. Zum 17:15. Und zum 3:2-Sieg.

Durch die hart erkämpften zwei Punkte hat Allianz MTV nun allerbeste Chancen auf das Weiterkommen in der Champions League. Vor der letzten Gruppenpartie gegen Teneriffa reist man aber erst zum Bundesliga-Topspiel nach Schwerin. Und will dort ähnlich erfolgreich sein wie an diesem weiteren, magischen Europapokalabend.